Das Kreidemuseum Rügen

in Gummanz

                                                                        05.09.2015 / 25.05.2023

Im Flyer des Rügener Kreidemuseums heißt es: "Informativ und erlebnisreich werden im einzigen Kreidemuseum Europas und seiner Freilichtausstellung Abbau und Aufbereitung des Naturstoffs Kreide, seine Geologie und Lebenswelt sowie die landschaftsprägende Wirkung der Eiszeiten und ihre fossilen Hinterlassenschaften dargestellt." Dem sollte unbedingt noch hinzugefügt werden, dass das Kreidemuseum auch einzigartig ist im Hinblick auf Ausstellungsinhalte und der dort zu sehenden musealen Gestaltungsformen.

Das Museum feierte im Sommer diesen Jahres bereits sein 10jähriges Bestehen und es hat sich zudem in dieser "Kurzzeit" sehr expandierend und auch qualitativ positiv entwickelt. Die vier Ausstellungsräumlichkeiten sind den Themen Kreidenutzung und -abbau (Raum 1), Kreidefossilien, Kreide- und Feuersteinentstehung (Raum2), Eiszeit, Geschiebesammlung und Küstendynamik (Raum 3) zugeordnet. Weiterhin gibt es noch einen Kinoraum sowie einen Raum für Sonderausstellungen (Raum 4). 

Die sich unmittelbar am Museumsgebäude anschließende Freilichtausstellung hat den historischen Kreideabbau zum Thema und zeigt einen aufgelassene Kreidetagebau, der bereits von der Natur zurück erobert wurde. Ein kurzer Wanderweg (Naturlehrpfad) um diesen Kreidebruch führt zum "Kleinen Königstuhl", von dessen Plattform man einen weitschweifenden Blick über die Insel Rügen hat.

Auf der Homepage des Kreidemuseums (www.kreidemuseum.de) findet man darüber hinaus eine umfangreiche Übersicht über Fossilien, die man in der Schreibkreide finden kann. 

Für Besucher werden zusätzliche Angebote bereitgestellt: Führungen durch Museum und Freilichtausstellung, Programme für Kindergruppen und Schulklassen, Bestimmung von mitgebrachten Fossilien sowie Sammelexkursionen im Tagebau Promoisel. Im Museumsshop kann man Fossilien der Rügener Schreibkreide, informative Literatur, Produkte mit Rügener Heilkreide u.a.m. erwerben.

Kontakt: creta gGmbH Kreidemuseum Rügen, Gummanz 3a, 18551 Sagard, Tel. 038302/56229

Die nachfolgenden Fotos entstanden während einer persönlichen Führung durch Herrn Manfred Kutscher, Vorstandsvorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparks Jasmund e.V. und "lebendiger Motor" des Kreidemuseums Rügen.

Abb.1: Museumsgebäude des Kreidemuseums

Abb.2: Ausstellungsraum 1: Informationstafeln zur Nutzung der Schreibkreide (medizinische und kosmetische Verwendung)

Abb.3: Schautafel zu historischen und derzeitigen Technologien der Kreidegewinnung und Kreideverarbeitung (Ausstellungsraum 1)

Abb.4: Modelldarstellung des einstigen Kreidetagebaus Gummanz und den dazu gehörigen Industriegebäuden und -anlagen (Ausstellungsraum 1)

Abb.5: Nachbau eines Steinwerkzeugs mit dem "Werkstoff" Feuerstein (Vitrine, Ausstellungsraum 1)

Abb.6: Nachempfundener und neuzeitlich hergestellter Faustkeil aus Feuerstein (Vitrine, Ausstellungsraum 1)

Abb.7: Feuerstein und Pyrit/ Markasit als Materialien zur Herstellung von Feuer (Vitrine, Ausstellungsraum 1). 

Werden beide Stücke aneinander geschlagen, so entstehen Funken, die auf leicht brennbaren Materialien zur Entzündung dergleichen führen können. Um dies besonders deutlich zu sehen, sollte man einen Versuch zur Funkenbildung in dunkler Umgebung machen. 

Abb.8: Orthocerenkalk-Platte (Geschiebe) mit zahlreichen Gehäusen von Orthoceren (Kopffüßern). 

Diese 1,8 m² große Geschiebe-Platte wurde beim Straßenbau auf Rügen geborgen und dem Kreidemuseum für den Verbleib in der dortigen Sammlung übergeben. Die Platte steht derzeit am Ende des Formationstunnels, das "Kreidemeer und kreidezeitliche Fischsaurier", zwischen den Ausstellungsräumen 1 und 2. Eine Beschriftung und eine angemessene Beleuchtung wird demnächst vorgenommen.

Abb.9: Ausstellungsraum 2: Ausstellung, Animationen und interaktive Exponate zum Thema Kreide, Fossilien und Feuerstein.

Abb.10: Modell eines Mosasaurus (Ausstellungsraum 2)

Das an der Decke hängende Modell eines Mosasaurus cf. hoffmanni, mit einer Länge von 6 Metern, gehört zu den jüngeren Ausstellungsstücken des Museums. Fossilfunde, die dieser einstigen Meereechse zuzuordnen wären, sind außerordentlich selten in der Rügener Schreibkreide. Gelegentlich werden aber Zähne dieses "Fischsauriers" gefunden. Ein solcher Zahn von einem Mosasaurus ist in einer Vitrine ausgestellt, die Fundstücke von Sammlern zeigt.

Abb.11: Fossilfunde aus der Rügener Schreibkreide (Ausstellungsraum 2)

In dieser Ausstellungsvitrine sind ausgewählte Fossilien, wie Muscheln, Brachiopoden und Belemniten ausgestellt. Die mit einer Zahl gekennzeichneten Fossilien können interaktiv mit den dazugehörigen Namen benannt werden, indem man eine "Schublade" herauszieht, die sich unmittelbar unter der Vitrine befindet, auf der die Benennungen geschrieben stehen. 

Abb.12: Fossilfunde aus der Rügener Schreibkreide (Ausstellungsraum 2)

In einer weiteren Vitrine sind reguläre und irreguläre Seeigel als Steinkerne und in Schalenerhaltung zu sehen. Auch hier kann man die Bestimmung der Fossilien m.H. der bereits genannten Aktion vornehmen.

Abb.13: Rügener Schreibkreide mit Fossilien (Formationstunnel, zwischen Ausstellungsraum 1 und 2)

Dieser Kreideblock zeigt eingebette Fossilien, wie Stacheln und Gehäuseplatten eines Cidariden (regulärer Seeigel), einen Muschelsteinkern, Mostierchenfragmente (Bryozoen) und andere Fossilien bzw. Teile davon aus der Rügener Schreibkreide.

Abb.14: Foto (1) aus einer Videoanimation, die die Entstehung der Rügener Schreibkreide sehr eindrucksvoll veranschaulicht (Ausstellungsraum 2). Veröffentlichung mit Genehmigung des Interactive & GeoCenter Møns Klint

Abb.15: Foto (2) aus o.g. Videoanimation. Veröffentlichung mit Genehmigung des Interaktive & GeoCenter Møns Klint

Abb.16: Schautafel zur Feuersteinentstehung (Ausstellungsraum 2)

Die Problematik der Feuersteinentstehung wird immer noch diskutiert und scheint auch noch nicht abgeschlossen zu sein. Die hier zu sehende Schautafel verdeutlicht einen nachvollziehbaren Prozess, der die Feuersteinentstehung sehr anschaulich verdeutlicht. Auch zur Feuerstein-entstehung ist im Ausstellungsraum 2 eine eindrucksvolle Videoanimation vom Interactive & GeoCenter Møns Klint zu sehen.

Abb.17: Leben auf schlammigen Boden des Kreidemeeres, Schaubild von E. Herrig (Ausstellungsraum 2)

Neben der hier dargestellten Veranschaulichung kann man per Knopfdruck auch weitere Informationen über die damaligen Meerestiere (Belemniten, Schwämme, verschiedene Muscheln, Seesterne, Seeigel und Fische) des Kreidemeeres erfahren. Auf diesem bildlichen Beispiel ist der fossile Seestern Lophidiaster pygmaeus abgebildet, der in dieser vollständigen Erhaltung einzigartig ist.

Abb.18: Vitrine (Ausstellungsraum 2), die mit Ausstellungsstücken (Fossilien der Rügener Schreibkreide) von verschiedenen Sammlern bestückt ist. Links unten sieht man den o.g. Zahn eines Mosasaurus (leg. Dr. Jenning).

Abb.19: Kleinfossilien der Rügener Schreibkreide (Ausstellungsraum 2)

Mit Hilfe einer Makro-Kamera und eines Monitors werden in dieser interaktiven Vitrine Kleinfossilien vergrößert. Auf dem Foto sind kleine, juvenile reguläre Seeigel (Saleniden) zu sehen, die nur eine Größe von etwa einem Millimeter haben. Solche Funde kann man erhalten, wenn man z.B. die Kreide auflöst/ aufschlämmt, sie dann nach der Korngröße fraktioniert und die entsprechenden Proben m.H. eines Mikroskops durchsieht. Andererseits liefert aber auch die Ostsee nach Kreideabbrüchen solches Material, denn die Kreidemassen werden nach und nach durch die See zerkleinert und somit auch Kleinfossilien herausgewaschen.

Abb.20: Portrait von Friedrich von Hagenow (Ausstellungsraum 2)

Es ist sehr lobenswert, dass im Kreidemuseum dem Sammler, Forscher und Entdecker Friedrich von Hagenow gedacht wird. Bereits im 19. Jahrhundert legte von Hagenow erste Grundsteine für die Erforschung der Fossilien der Rügener Schreibkreide. Seine damaligen Publikationen waren beispielhaft. Noch heute tragen zahlreiche Fossilien seine namentliche Zuordnung. 

Abb.21: Tafel mit Fossilien der Rügener Schreibkreide (Friedrich von Hagenow), Ausstellungsraum 2

Von Hagenow hatte zur Erstellung solcher Fossilzeichnungen eigens ein Mkroskop entwickelt, welches m.H. eines "Zeichenspiegels" (Dikatopter), eine maßstabsgenaue Widergabe ermöglichte.  

Abb.22: Vitrinen mit eiszeitlichen Geschieben (Fossilien) und Schautafeln (Ausstellungsraum 3)

Im dritten Ausstellungsraum werden eiszeitliche Geschiebefunde, die Eiszeit, die Entstehung Rügens und die Küstendynamik thematisiert.  

Abb.23: Schautafel zum Ordovizium (Ausstellungsraum 3)

Abb.24: Vitrine mit fossilen Ausstellungsstücken aus dem Ordovizium (Ausstellungsraum 3)

Am oberen Bildrand und oben links sind Gehäuseteile von Orthoceraten (Kopffüßern) zu sehen. Diese Tiere hatten im hinteren Teil ihres Körpers ein gekammertes "Inneskelett", welches fossil erhalten geblieben ist. Sie konnten ausgewachsen mehrere Meter lang werden. Die o.g. Orthocerenplatte (Abb.8) gehört ebenfalls in dieses Zeitalter.

Abb.25: Paläozänes Geschiebe-Fundstück mit zahlreichen z.T. gut erhaltenen Fossilien in Schalenerhaltung (Vitrine, Ausstellungsraum 3) 

Abb.26: Desweiteren ist im Ausstellungsraum 3 auch sehr gut das Thema "Entstehung der Insel Rügen" veranschaulicht worden. Auf die vielfältigen eiszeitlichen Auswirkungen und deren morphologischen "Hinterlassenschaften" wird dabei besonders hingewiesen. 

Unmittelbar am Ausstellungsraum 3 schließt sich der Kinoraum an. Hier werden Filme zum Kreideabbau gezeigt, wie er vor fast 100 Jahren vollzogen wurde. Dabei handelt es sich um außerordentlich interessante und auch wertvolle dokumentarische Filmaufnahmen, die man sich unbedingt ansehen sollte.

Abb.27: Außengelände mit Blick auf den "Kleinen Königsstuhl"

Vom Kinoraum aus kann man direkt hinaus in die Freilichtausstellung gehen. Das Foto zeigt einen Blick vom Rand des ehemaligen Kreidebruchs, in dem seit etwa 1962 keine Kreide mehr geborgen wurde, auf den "Kleinen Königsstuhl" (126m ü. NN). Auch ist deutlich zu sehen, dass besonders die Pflanzenwelt wieder die Dominanz übernommen hat. Dieser schöne Biotop darf verständlicherweise zum Schutz desselben nicht betreten werden.

Abb.28: Zur Freilichtausstellung gehören auch diese alte Diesellok und eine Klappkübellore. Beide Exponate wurden einst für den Transport der Kreide verwendet.

Abb.29: Standort "Technologie des Kreideabbaus" (Freilichtausstellung)

Auf der Abb.3 konnte man bereits sehen, dass der Abbau der Kreide einst schwere "Knochenarbeit" war. An dieser Station erfährt man zudem (siehe Schautafel) einiges über das "Trichter-Schlitzschurren-Verfahren", über die Funktionen des Kreiderührwerks und der Absatzbecken und schließlich wozu ein Trockenschuppen nötig war, um letztendlich nach etwa 5 Wochen Arbeitsaufwand die begehrte Brocken- oder Malkreide zu erhalten.

Abb.30: "Wetterstein" am Ausgang der Freilichtausstellung

Der hier am Galgen hängende "Wetterstein" gibt stets einen korrekten und fehlerfreien "Wetterbericht" an. Außerdem hat dieser hängende Feuerstein ein durchgehendes Loch aufzuweisen, so dass man ihn berechtigt als "Hühnergott" ansprechen sollte. Und schließlich sollen "Hühnergötter dem Finder bekanntlich Glück bringen. Diesen "göttlichen Wetterstein" deshalb bitte hängen lassen, so dass der nächste Betrachter auch das aktuelle Wetter von ihm ablesen kann.

Abb.31: "Wetterstein" mit folgendem Wetterbericht: Stein warm = Sommer, Stein ruhig = windstill, Stein sichtbar = Tag, Stein trocken = kein Regen, Stein wirft Schatten = Sonne.

Nach einem Rundgang durch das Kreidemuseum und der Freilichtausstellung, sollte man auch nicht versäumen, entlang des Naturlehrpfades den "Kleinen Königstuhl" zu "besteigen". Denn von der dortigen Plattform bietet sich ein schöner Ausblick auf die südlich gelegene Landschaft Rügens.

Bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass stets viele Besucher dieses einzigartige Museum besuchen werden, um sich zu bilden, zu erfreuen oder einfach mal Rügen aus einem anderen Blickwinkel sehen zu wollen. Es lohnt sich allemal!

Literaturempfehlungen:

Kutscher, M. (1999) - Bernstein - Verein der Freunde und Förderer des Nationalparks Jasmund e.V.

Kutscher, M. (2007) - Die Insel Rügen, die Kreide - Verein der Freunde und Förderer des Nationalparks Jasmund e.V.

Kutscher, M. (2013) - Die Rügener Schreibkreide, ein Multitalent - Verein der Freunde und Förderer des Nationalparks Jasmund e.V.

Kutscher, M., Stodian, I. (2015) - Nationalpark Jasmund, Kreidefelsen am Meer - Verein der Freunde und Förderer des Nationalparks Jasmund e.V.

Kutscher, M. (2015) - "Einmal Neu" - die neue Ausstellung des Kreidemuseums Rügen, Geschiebekunde aktuell, 31/1

Kutscher, M. (2023) - Ein Museum steht in der Kreide, Fossilien, 2023/3  

Nestler, H. (2002) - Die Fossilien der Rügener Schreibkreide - Westarp-Wiss. (Die Neue Brehm-Bücherei; Bd. 486)

Reich, M., Frenzel, P. (2002) - Die Fauna und Flora der Rügener Schreibkreide (Maastrichtium, Ostsee) - Archiv für Geschiebekunde 3 (2/4) 

Reinicke, R. (2009) - Feuersteine Hühnergötter - Demmler-Verlag

Reinicke, R. (2013) - Rügen Strand & Steine - Demmler-Verlag

Rode, A. (2007) - Auf Fossiliensuche an der Ostsee (Gesteine - Fossilien - Fundmöglichkeiten) - Wachholtz Verlag

Rudolph, F. (2014) - Kleine Fossilien am Strand entdecken - Wachholtz Verlag

Rudolph, F., Bilz, W., Pittermann, D. (2010) - Fossilien an Nord- und Ostsee, Finden und Bestimmen - Quelle & Meyer Verlag

Internet:

www.kreidemuseum.de

 

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