Syringomorpha nilssoni (TORELL 1868) - 

Ein problematisches Spurenfossil aus den Sandsteinen des Unterkambrium Schwedens 

(Auszug aus dem Originalartikel)

 von Georg Engelhardt, Potsdam 

mit zahlreichen Ergänzungen (Literatur, Fotos etc.) von K.-D. Jänicke (Seddin)

  01.01.2012 / 23.11.2022

 

Zusammenfassung:

Es werden die zwei Originalstücke zur Erstbeschreibung des Spurenfossils Syringomorpha nilssoni (TORELL) aus einem unterkambrischen Geschiebe von R. RICHTER (1927) vorgestellt und an diesem sowie an einigen aktuellen Befunden nachgewiesen, dass die in ihnen enthaltenen Spreiten von Syringomorpha in senkrechter Lage zur Schichtung angelegt sind und das die einzelnen Glieder der Spreiten nicht röhrenförmigen, sondern halbkreisförmigen Querschnitt haben. Weiterhin wird eine Spreite von Syringomorpha aus einem Geschiebe mit überlieferter beidseitiger Verjüngung fotografisch abgebildet und in diesem Kontext diskutiert.

Schlüsselworte: Unterkambrische Spurenfossilien, Syringomorpha, Monocraterion, Spreitenbauten, vertikale Orientierung der Spreiten

 

Einleitung:

Syringomorpha nilssoni (TORELL 1868) ist ein in unterkambrischen Quarzitgeschieben nachweisbares, jedoch eher selten gefundenes Spurenfossil, dessen Erstbeschreibung aus Geschiebefunden auf eine Veröffentlichung von RICHTER (1927) zurückgeht.
Dieser Spurentyp war ursprünglich nur aus dem anstehenden Unterkambrium Schwedens und seinen Lokalgeschieben bekannt und als fossiler Pflanzenrest (Blatt) beschrieben worden ("Cordaites nilssoni" TORELL 1868). NATHORST bestritt 1874 den organismischen Ursprung dieser Gebilde und deutete diese als physikalisch entstandene Sedimentstrukturen (evtl. Schleifspuren von Pflanzen). N.O. HOLST gelang 1893 der Nachweis des fraglichen Fossils im anstehenden Unterkambrium des Kalmarsundgebietes zwischen der Südküste Schwedens und Ölands. Erst durch die genannte Veröffentlichung R.RICHTER's im Jahre 1927 wurde ein bis heute weitgehend tradierter Deutungsversuch unternommen, der von HÄNTZSCHEL (1964) weitgehend übernommen und bis in die jüngste Gegenwart Gültigkeit behalten hat. Neuere Untersuchungen über das Vorkommen von Syringomorpha im anstehenden Unterkambrium Schwedens mit davon abweichenden Ergebnissen liegen von JENSEN (1997) vor.


Abb. 1-2: Fotografische Neuaufnahme der Originalstücke zu RICHTER (1927) im gleichen Abbildungsmaßstab (vgl. Abb. 1-2 bei RICHTER 1927). Foto: KLEEBERG, TU Berlin

Im Zusammenhang mit gegenwärtig noch laufenden Untersuchungen zur Morphologie und Verbreitung von Syringomorpha in Geschieben des norddeutschen Raumes wurde eine Untersuchung und Neuaufnahme der Originalbelege zu RICHTERs Erstbeschreibung in der Zeitschrift "Senckenbergiana" (1927) erforderlich. Die Originalbelege RICHTER's sollen in die Bearbeitung eines umfangreichen Materials an Belegestücken von Syringomorpha aus Geschiebefunden einbezogen werden. (WEBER & ENGELHARDT, in Vorber.). Da die ursprünglichen Belegstücke aus dem Jahre 1926/28 sowie deren Beschreibung und Deutung durch R. RICHTER (1927) auch einem wissenschafts-historischen interessanten Aspekt bilden, werden diese im nachfolgenden Beitrag vor allem unter diesem Gesichtspunkt gesondert vorgestellt und abgebildet (Abb. 1-2).

Den sachlichen Hintergrund des vorliegenden Beitrages bildet die oben bezeichnete und gegenwärtig noch laufende Untersuchung eines umfangreichen Geschiebematerials mit dem Spurenfossil Syringomorpha nilssoni (TORELL), die bereits im gegenwärtigen Stadium zu einigen neuen Aspekten in Bezug auf die Entstehung dieser Lebensspur geführt hat. Den Anlass für die genannten Untersuchungen lieferten zunächst einige eigene bemerkenswerte Funde von Syringomorpha im Potsdamer Raum sowie ein Ansatz von JENSEN (1997) nach dem (im Gegensatz zur Darstellung von RICHTER 1927 und HÄNTZSCHEL 1964) eine einheitliche Orientierung der Spreiten von Syringomorpha vertikal zur Schichtung für alle Vorkommen im antstehenden Unterkambrium von Schweden zutrifft. Diese vertikale Ausrichtung wurde auch im Unterkambrium vom Kinnekulle, südlich des Vänersee in SW-Schweden angetroffen (D. ANDRES, Geologische Sammlung, Stiftung Stadtmuseum Berlin: pers. Mitteilung). Die daraufhin durchgeführten Untersuchungen ergaben, dass diese vertikale Ausrichtung der Bauten auch auf die Mehrzahl der Geschiebe zutrifft. Somit ist die Vorstellung einer angeblich "auffällig wirren Lage" der Bauten von Syringomorpha im Gestein (HÄNTZSCHEL, 1964) sicherlich zu korrigieren und die Ausrichtung von Syringomorpha im Sediment demnach in einen offensichtlich vorliegenden gesetzmäßigen Bezug zur Schichtung zu bringen.

In allen bisher vorliegenden Belegen für Syringomorpha in Geschieben konnten zudem auch keine "walzenrunde Stäbe" einer "Stabplatte" (Bezeichnungen nach R. RICHTER 1927) ausgemacht werden, sondern sich eher farblich von der Gesteinsmatrix absetzende, langgestreckte Glieder (Gänge) einer Spreite mit halbkreisförmigem Querschnitt, die zumindest im Mittelfeld der Spreite mit deutlichen Abstand zueinander in einer Ebene angeordnet sind.
 Es war daher naheliegend, R. RICHTER's Originalbelege der beiden Berliner Quarzitgeschiebe, in denen nach seiner Beschreibung Bruchstücke von "Stabplatten" aus walzenrunden, quarzitgefüllten Röhren "unabhängig von der schichtung" eingebettet sind in die oben bezeichneten Untersuchungen einzubeziehen. Es werden nachfolgend R. RICHTER's Belegstücke im Detail beschrieben und seit ihrer Veröffentlichung in "Senckenbergiana", Bd. 9 (1927) erstmals wieder abgebildet (vgl. Abb. 3-4).

 

Literatur:

Bromley, R.G. (1999) - Spurenfossilien - Biologie, Taphonomie und Anwendungen, Springer-Verlag

Engelhardt, G. (2002) - Syringomorpha nilssoni (Torell): Ein problematisches Spurenfossil aus dem Unterkambrium Skandinaviens, Der Geschiebesammler 35

Engelhardt, G., Hoffmann, R. (2012) - Zur unterkambrischen Ichnogattung Syringomorpha anhand norddeutscher Geschiebefunde I, Archiv für Geschiebekunde 6 (5)

Engelhardt, G. (2015) - Zur unterkambrischen Ichnogattung Syringomorpha anhand norddeutscher Geschiebefunde II, Archiv für Geschiebekunde 7 (4)

Häntzschel, W. (1962) - Trace Fossils and Problematica, Treatise on Invertebrate Paleontology, Part W, Miscellanea, Geol. Soc.Am. & Univ. Kansas

Häntzschel, W. (1964) - Die Spuren-Fauna, bioturbate Texturen und Marken in unterkambrischen Sandstein-Geschieben Nordeutschlands und Schwedens. - Der Aufschluss, Sonderheft 14 (1964)

Holst, N.O. (1893) - Bidrag till kännedomen om lagerföljden inom den kambriska sandstenen. - Sver. Geol. Undersökn., Ser. C., No. 130

Hucke, K., Voigt, E. (1967) - Einführung in die Geschiebeforschung, Nederlandse Geologische Vereniging

Jensen, S. (1997) - Trace fossils from the Lower Cambrian Mickwitzia sandstone, south-central Sweden. - Fossils and Strata, 42

Knaust, D. (2017) - Atlas of Trace Fossils in Well Core - Appearance, Taxonomy and Interpretation, Springer-Verlag 

Nathorst, A.G. (1874) - Om nagra förmodade växtfossilier. - Öfv. Kongl. Vet. - Ak. Förhandl., 3(9): 45

Richter, R. (1927) - Syringomorpha nilssoni (TORELL) in norddeutschen Geschieben des schwedischen Cambriums, ein glazialgeologisch verwendbares Problematikum. - Senckenbergiana, 9(6)

Rudolph, F. (2004) - Lebensspuren in unterkambrischen Geschieben, Fossilien 20

Seilacher, A. (2007) - Trace Fossils Analysis, Springer-Verlag

Troppenz, U.M. (2012) - Syringomorpha: umstrittenes Spurenfossil aus dem Kambrium, Fossilien 2012 (2)

Torell, O. (1868) - Bidrag till Sparagmitetagens geognosi och paleontologi. - Lunds Univ. Arsskrift, II. Avd. Math. och Naturv., 4(13)

 

Anhang 1 (K.-D. Jänicke):

Das eher selten zu findende Spurenfossil Syringomorpha nilssoni wurde im Raum Beelitz als Geschiebe auf den Lesesteinhaufen der Spargelfelder gelegentlich gefunden. Alle Fundstücke wurden Herrn Georg ENGELHARDT (Potsdam) für weitere wissenschaftliche Bearbeitungen übergeben. Daraus folgernd liegen drei Fachbeiträge vor (siehe Literatur - Engelhardt, G.) In der dort benannten Literatur (Engelhardt 2002, 2012, 2015) werden vor allem ausgeprägte Morphotypen sowie morphologische Variabilitäten von Syringomorpha detailliert und sehr anschaulich beschrieben. 

Die nachfolgenden Abbildungen (Abb. 3 - 8) zeigen Funde von Syringomorpha nilssoni aus der Sammlung JÄNICKE (Seddin). Die ursprünglichen Fotos stammen von G. ENGELHARDT, wurden aber nachträglich verändert.

 

Abb. 3

Abb. 4

Abb. 5

Abb. 6

Abb. 7

Abb. 8

 

Anhang 2 (K.-D. Jänicke):

Nachfolgend wird ein weiteres Fundstück präsentiert, welches 8 markannte Spuren von Syringomorpha nilssoni zeigt. Diese liegen alle senkrecht zur Schichtung und zeigen verschiedene Erhaltungszustände der Spreitenform aber auch Querschnitsformen sind deutlich erkennbar. Das Geschiebe (hellgrauer Sandstein) ist stark kantengerundet und wurde in einer Kiesgrube östlich von Jabel bei Waren a.d. Müritz (MV) gefunden. Weitere dort aufgefundene Spurenfossilien aus dem Unterkambrium: Skolithos linearis (sehr zahlreich, auch mit violetten Wurmröhren)Monocraterion tentaculatum und Diplocraterion parallelum sowie einige nicht deutlich erkennbare Ichnotaxa.  

 

Abb. 9 - 12

 

Abb. 13

 

Anhang 3 (K.-D. Jänicke):

Nachfolgend Aufnahmen meines 18. Fundes (z.Zt. in der Sammlung von G. Engelhardt, Potsdam). Das Geschiebe, ein hellbrauner Quarzit, ist stark abgerollt und zeigt deutliche Spuren von Syringomorpha nilssoni (z.T. frakmentarisch). Fundort: ehemalige Kies und Sandgrube Schlunkendorf bei Beelitz.

Abb 14 - 21: Syringomorpha nilssoni, alle Spuren in einem Geschiebeblock

 

Anhang 4 (K.-D. Jänicke):

Nachfolgende Aufnahmen wurden von drei Fundstücken aus der Sammlung Dietmar Lüttich (Seddiner See) angefertigt. Die Funde stammen aus der Kiesgrube Damsdorf (b. Lehnin). Fundstück A zeigt insgesamt 14 Spuren, Fundstück B 8 Spuren und Fundstück C 3 Spuren. Die Spuren sind zum großen Teil nur fragmentarisch bzw. nur im "Anschnitt" sichtbar. Ein fast vollständiger "Spurenfächer"  ist auf dem Fundstück C erkennbar (Abb. 38). Eine Schichtung in den hier vorliegenden quarzitischen Sandsteinen/ Quarziten ist kaum erkennbar, jedoch scheinen alle Spuren senkrecht bis leicht schräg zur Schichtung vom "Verursacher" angelegt worden zu sein. 

Abb. 22 - 29: Fundstück A

Abb. 29 - 34: Fundstück B

Abb. 35 - 38: Fundstück C


Anhang 5 (K.-D. Jänicke):

Ein weiterer Geschiebefund mit dem Spurenfossil Syringomorpha nilssoni konnte von einem Lesesteinhaufen der Beelitzer Spargelfelder von D. Lüttich (Seddiner See) geborgen werden. Er zeigt vermutlich den mittleren Abschnitt des Ichnofossils in einer deutlichen Schrägstellung zur Sedimentschichtung. Die einzelnen Spreiten sind erkennbar rund geformt und aneinander liegend, nicht wie sonst auch üblich "dachziegelartig" aneinander gereiht.  

 

Abb. 39: Spreitenanordnung von Syringomorpha nilssoni in schräger Lage zur Sedimentschichtung (vermutlich mittlerer Abschnitt der Lebensspur)

Abb. 40 u. 41: links Oberseite u. rechts Unterseite des Geschiebes (unterkambrischer Sandstein), die Unterseite ist durch bioturbate "Strukturen" geprägt


Abb. 42: Ausschnitt aus Abb. 39 mit deutlich erkennbar runden "Röhren" des Spreitenfächers

 

Abb. 43: Aufnahme in einer leicht gekippten/schrägen Lage, die ebenfalls die runde Röhrenform der Spreiten deutlich macht

...