Der Geschiebestrand zwischen Dwasieden und Mukran (Rügen) -
Steilküste, Küstendynamik und Fossilfunde
04.03.2022 / 08.03.2022
Der Küstenabschnitt südlich von Sassnitz, zwischen Dwasieden und Mukran, kann als ein aktives Kliff bezeichnet werden. Hier stehen eiszeitliche Ablagerungen als Geschiebelehm, Geschiebemergel und Schmelzwasserbildungen sowie eingelagerte Kreide deutlich sichtbar an. All diese Schichten enthalten mehr oder weniger Gesteinsmaterial, welches durch exogene Vorgänge freigelegt wird. Im Besonderen wirken Niederschläge, Frost und Temperaturwechsel. Ganzjährig sind deshalb Abbrüche und Rutschungen "unangekündigt" möglich. Es ist also Vorsicht geboten!
Steilküste:
Die Steilküste ist zwischen Dwasieden und Mukran zirka zwei Kilometer lang, das Kliff bis zu 15 Meter hoch. Ein Zugang zum Geröllstrand ist jeweils nur im Norden (Dwasieden) bzw. im Süden (Mukran) möglich. Etwa auf der Hälfte des Kliffabschnittes (unmittelbar südlich der "Hölle") ist eine größere Kreidescholle inmitten der eiszeitlichen Schichten zur Ablagerung gekommen. Nur vereinzelt sieht man auch "schlierenhaft" Kreide im Geschiebelehm/Geschiebemergel. Am Kliff-Fuß kommt es zur Anhäufung des abgerutschten bzw. abgebrochenen Materials, welches meist schnell durch die Ostsee aufgearbeitet wird. Dabei wird Feinmaterial durch Strömungseinflüsse weiter südlich als Sandstrand (Prorer Wiek) abgelagert. Größere und kleinere Steine verbleiben meist am Geröllstrand.
Abb. 01: Geschiebestrand zwischen Dwasieden und Mukran
Abb. 02 u. 03: Steilwand mit eingelagerter Blockpackung unmittelbar südlich des Strandzugangs von Dwasieden
Abb. 04 u. 05: Steilküste auf Höhe des Küstenabschnittes "Die Hölle"
Abb. 06: Abbrüche etwa auf der Hälfte der Steilküste im Bereich der "Kreidescholle"
Abb. 07: Geröllstrand, Rutschungen und Schuttkegel unmittelbar südlich der "Kreidescholle"
Abb. 08 u. 09: Steilküstenabschnitte nördlich des Mukraner Küstenzugangs
Abb. 10: Schlierenartig eingelagerte Kreide im Geschiebelehm (Mukraner Küstenabschnitt)
Abb. 11: "Schematisches geologisches Profil der Lagerung von eiszeitlichen Sedimenten und Schreibkreide auf Rügen", Quelle: Detail einer Schautafel des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern ("Das Kliff zwischen Sassnitz und Mukran - Küste in Bewegung"; Gestaltung: R. u. M. Reinicke)
Küstendynamik:
Starke Oststürme und die damit verbundene Kraft der Brandung nagen alljährlich am unteren Saum der Steilküste. Da der Schuttkegel am Kliff-Fuß meist nicht bewachsen und fest ist, hat die Ostsee somit ein "leichtes Spiel". Selbst der Geröllstrand wird bei extremen Wetterlagen förmlich aufgewühlt und neu geschichtet. Dazu können langanhaltende Niederschläge sowie Temperatureinflüsse massiv auf den Geschiebelehm/Geschiebemergel, auf Sande und Kreide einwirken. Es kommt zu Abbrüchen der Kliffwand und zu kleinen oder auch massiven Rutschungen. Diese werden schließlich wieder von der Ostsee aufgearbeitet und somit ist der Kliff-Fuß für nachrutschendes Material frei. Auf einer Schautafel oberhalb des "Mukraner Abstiegs" ist von einem jährlichen und durchschnittlichen Rückgang der Steilküste von zirka 25 Zentimeter die Rede ("Küste in Bewegung"). Typische Brandungshohlkehlen, Erscheinungen wie sie in der Literatur oft skizziert werden, wurden bislang nicht wahrgenommen.
Abb. 12: Durch die "Kraft" der Ostsee wird das Kliff ständig verändert
Abb. 13 und 14: Links "Abbruch an einem Kliff aus Schreibkreide und eiszeitlichen Ablagerungen", Rechts "Rutschungen an einem Kliff aus eiszeitlichen Ablagerungen", Quelle: Details einer Schautafel des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern ("Das Kliff zwischen Sassnitz und Mukran - Küste in Bewegung"; Gestaltung: R. u. M. Reinicke)
Abb. 15 u. 16: Kleinere Kliff-Abbrüche und Rutschungen; links: Steilküste des Mukraner Geschiebstrandes, rechts: Abbruch von Geschiebelehm des Dwasiedener Geschiebestrandes
Abb. 1: Frischer Abbruch von Geschiebelehm (Dwasiedener Küstenabschnitt)
Abb. 18 u. 19: Schichtflächen des Geschiebekliffs: Oberer (gelblicher) Streifen = Geschiebelehm; mittlerer (grauer) Streifen = Geschiebemergel; unterer (dunkelgrauer) Streifen = Schuttkegel des Geschiebemergels; rechts unten (weißlich) = Schreibkreide
Abb. 20: Küstendynamik durch Rutschungen am Kliff
Abb. 21 u. 22: Frische Rutschungen mit Kreideschlieren sowie ausgespülter Geschiebemergel als Schwemmkegel
Abb. 23: Kliffkante mit Geschiebemergel und Geschiebelehm sowie Kreideschlieren, Mukraner Geschiebe-Küste auf Höhe des Golfplatzes ... Bald fällt auch dieser Zaun!
Fossilfunde:
Nach Hochwasser- und Sturmlagen ist das Finden von Fossilien am Geschiebestrand von Dwasieden/Mukran besonders gut möglich. Hier sollte der Blick auf Sand- und Kalksteine sowie auf Kreidefeuersteine gerichtet sein. Auffallend zahlreich sind fossilführende Gesteine des Paläozoikums. Diese müssen meist mühsam mit Hammer und Meißel aufgeschlagen werden. An vielen Stellen des Strandbereiches sind deshalb "Spuren" der Fossiliensammler zu sehen.
Die nachfolgend aufgeführten Fossilfunde zeigen zwar eine erdgeschichtlich breite Zeitspanne auf (Kambrium - Tertiär), sind aber dennoch nur Fundbelege einer Sammel-Exkursion.
Abb. 24: Typische Fundsituation am Geschiebestrand von Dwasieden/Mukran
Abb. 25 u. 26: Mittelkambrische feinkörnige Sandsteine/Siltsteine mit Driftmarken bzw. Schleifspuren (positive Abdrücke); auch als Eophyton-Sandstein/-Siltstein bezeichnet
Abb. 27: Siltstein mit Drift- bzw. Schleifmarken und ggf. diagonal verlaufender Lebensspur
Abb. 28: Wellige Oberseite eines Eophyton-Siltsteins mit Trittsiegeln eines Artropoden
Abb. 29 u. 30: Sandstein-Geschiebe (Unterkambrium) mit deutlichen Lebensspuren (Skolithos-Sandstein); das Geschiebe ist vollständig von Wurmröhren (Skolithos linearis Haldemann, 1840) durchsetz, im "oberen?" Schichtbereich sind diese zum Teil durch Verwitterung frei gelegt
Abb. 31: Unterkambrisches Geschiebe (gelblicher Sandstein) mit Spurenfossil (Wohnbau/Domichnia) Skolithos linearis (Haldemann, 1840) mit farblich abgesetzter und scheinbar schräg verlaufender Schichtung (Chiasma-Sandstein)
Abb. 32 u. 33: Mittelkambrisches Kalk-Sandstein-Geschiebe mit Spurenfossil, rechts Spurenfossil Halopoa cf. composita (Torell, 1870) auf aufgebrochene Schichtfläche sichtbar (Bestimmungshinweis durch R. Klafack, Rostock)
Abb. 34: Unterkambrisches Sandstein-Geschiebe mit unbestimmten Spurenfossil/Ichnofossil, ggf. ein Fragment von Diplocraterion isp.
Abb. 35 u. 36: Unterkambrische Geschiebe mit deutlichen Spuren von Diplocraterion isp. (Wohn-und Fressbau/Domichnia/Fodichnia); in der Aufsicht sind jeweils "hantelförmige" Muster des Spurenverursachers sichtbar
Abb. 37 u. 38: Paläozoisches Geschiebe mit Spurenfossil/Ichnofossil; ggf. U-förmige Röhre von Diplocraterion isp. oder Rhizocorallium isp.; durch die starke "Abrollung" des Geschiebes sind die "Spreiten" zwischen den Röhren nicht mehr erkennbar
Abb. 39 u. 40: Stinkkalkgeschiebe mit eingelagerter kalzitischer Streifung, Ob. Kambrium
Abb. 41 u. 42: Stinkkalkgeschiebe der Stufe 5 (Ob. Kambrium/Furongium)
Abb. 43: Detailvergrößerung von Abb. 42.: Häutungsreste (von Peltura acutidens (Brögger, 1882) aus der Ctenopyge linnarssoni Zone (Peltura Superzone/Furongium), Bestimmung durch R. Klafack (Rostock)
Abb. 44: Darstellung von Peltura acutidens aus G. Henningsmoen (1957) - The Trilobite Family Olenidae ...
Abb. 45 u. 46: Aufgebrochener Paramoudra-Flint ("Sassnitzer Blumentopf") mit glatter bis wulstiger Innenfläche
Abb. 47: Aufgebrochene Feuersteinknolle mit Spurenfossil (Ichnofossil) Chondrites isp. (Fodichnia/Fressbauten)
Abb. 48 u. 49: Zwei weitere aufgebrochene Feuersteinknollen, wie Abb. 47
Abb. 50 u. 51: Links: Stark abgerollte Feuersteinknolle mit fünf Stachel-Eindrücken eines cidariden Seeigels;
rechts: Innenfläche (Corona-Fragment) des irregulären Seeigels Echinocorys sp.
Abb. 52: Röhrenbau/Krebsbau von Ophiomorpha nodosa (Lundgren, 1891) in hellbraunem Sandstein (Tertiär), rechte Hälfte des Grabbaues mit erkennbaren "Knötchen-Abdrücken", linke Hälfte noch mit teilweiser Verfüllung, limonitische "Einfärbung"
Abb. 53 u. 54: Gekritztes Geschiebe ("Gletscherschliff"), links Sandstein mit Spurenfossil Ophiomorpha nodosa (s. Abb. 52), rechts feinkörniger paläozoischer Kalkstein
Abb. 55: Blick auf den Küstenabschnitt/Steilküste zwischen Dwasieden und Mukran
Allgemeine und spezielle Literatur:
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Gravesen, P. (2018) - Fossiler i Nordvesteuropa, Gyldendal
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Reinicke, R. u. M. (2021) - Geologie und Landschaft Mecklenburg-Vorpommern, Demmler Verlag
Rode, A. (2007) - Fossilien sammeln an der Ostseeküste, Wachholtz Verlag
Rode, A. (2010) - Auf Fossiliensuche an der Ostsee, Wachholtz Verlag
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Rudolph, F. (2016) - Eiszeit, das Abenteuerbuch für Sammler und Forscher, Wachholtz Verlag
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